ABITURREDE 28.JUNI 1985 Kollegstufenjahrgang 1983/1985 
von Christof Fischer

Liebe Eltern, verehrtes Lehrerkollegium, sehr verehrter Herr Direktor, liebe Leidensgenossen und Zuhörer!

Eine Abiturrede zu halten ist meines Erachtens eine undankbare Aufgabe. Man soll bei dieser Rede für alle Kollegiaten sprechen, notwendige Kritik anbringen und gegebenenfalls das Positive an der Schule nicht außer acht lassen. Wie soll man nun aber Kurse kritisieren, in denen man nicht zugegen war?
Wie soll man eine Abstufung der Kritik vornehmen?
Welche einzelnen Personen sollte man besonders loben, falls sie es überhaupt verdienen, gelobt zu werden, ohne andere zu verletzen, indem man sie hinten unter "ferner liefen" einordnet?
Viele Lehrer kennt man überhaupt nicht, oder nur vom Sehen, und man kann sich deshalb nich anmaßen, über diese ein Urteil abzugeben.

Ich möchte gleich betonen, dass diese Rede keine sog. "Intellektuellenrede" sein darf. Sie soll ganz einfach zeigen, wie es an unserer Schule zugeht. Freilich wird auch zum Teil die Kritik nicht zu kurz kommen. Verbeserungen sind nur aufgrund vorausgehender Kritik möglich. Dabei bin ich mir über eines bewußt! Anderen Schlechtes nachzusagen ist immer einfach. Es besser zu machen, das ist eine andere Sache.

Nun ja fangen wir mal an. Vom rein äußeren wirkt unsere Schule wie ein ganz normaler Bunker des 20.Jahrhunderts. Von Gemütlichkeit kann keinesfalls die Rede sein. Die grelle Farbe sticht zwar etwas ins Auge, den einen störts's den anderen gefällt's, was soll's?
Bis heute bin ich mir über eines noch immer im Unklaren. Die Kollegstufe hat in jedem Jahr, es werden ja die geburtenschwachen Jahrgänge erst noch auf uns zukommen, etwas 150 Kollegiaten. Ich möchte hierbei auf die Jahrgangstufen 12 und 13 beschränken. Offiziell zählt ja die 11.Klasse bereits zur Kollegstufe. Man bedenke nun, dass viele Kollegiaten bereits volljährig sind. Summa, summarum! Ab 18 fährt man mit den Autos, es befinden sich auch einige "Blechsärge" von Seiten der Lehrer als auch von Seiten der Kollegiaten darunter, in die Schule. Doch wo sollen diese abgestellt werden?
Der Parkplatz an unserer Schule wurde ganz einfach viel zu klein konzipiert. An jedem Morgen spielt sich das gleiche Chaos ab. Jeder Fußgänger ist praktisch ein Selbstmörder. Doch dies sei nur nebenbei erwähnt.

Kommen wir nun zum Kern der Sache. Ein durchschnittlich talentierter Schüler, und von diesen Typen gibt's immerhin einige, wird sich nie seine Zimmernummer merken können. Also muß er sich erkundigen.
Dies kann auf zweierlei Art und Weise erfolgen.
Erstens:
Er schaut auf den im 1. Stockwerk aushängenden Raumplan, der sowieso alle fünf Minuten anders aussieht. Ein vorwitziger Schüler verzierte das Wörtchen Raumplan, indem er eigene Buchstaben ergänzte. Somit entstand eben der "Alptraumplan", was bestimmt einiges für sich hat.
Der Kollegiat steht also vor diesem Unding! Erwischt er nun den richtigen Tag, die richtige Stunde, so könnte es sein, dass er seine Zimmernummer erfährt. Somit hat er gute Chancen, in Kürze auf seine Genossen zu stoßen. Dies muß jedoch nicht immer der Fall sein. Häufig werden im gefundenen Zimmer Klausuren geschrieben, der ersehnte Kurs hat sich also "auf die Socken gemacht" und einen anderen Raum gesucht.
Spätestens jetzt sitzt der Kollegiat auf dem Trockenen.
Die zweite Möglichkeit, den richtigen Raum zu finden, besteht darin, das Sekretariat aufzusuchen. Die Damen dort sind immer sehr nett und freundlich, lächeln einen an und geben bereitwillig Auskunft. Zu gewissen Zeiten, versteht sich!
Erscheint man jedoch während der "Coffee-Time", so ist es wohl besser, die Hasenfußtaktik anzuwenden; denn eine vollelektrische Schreibmaschine kann als Geschoß beträchtlichen Schaden anrichten.

Leiter eines Gymnasizms zu sein, bringt viele Aufgaben und Probleme mit sich. Dies ist wohl jedem verständlich. Trozdem wäre es, so glaube ich, wünschenswert, wenn der Kontakt zwischen dem Direktor und den Schülern intensiviert würde. Leider kennen viele Gymnasiasten unseren Herrn Direktor nur vom Hörensagen. Persönliche Gespräche mit dem Rektor kommen, sei es aus Zeitnot oder aus Abwesenheit desselben, nur sehr selten zustande. Diese Tatsache ist eigentlich nur zu bedauern.

Spziell zu den Lehrkräften ist folgendes zu sagen:
Es gibt an unserer Schule leider Lehrer, und ich möchte jetzt keinesfalls persönlich werden, die nicht kompetent genug sind, ihren Schülern den Stoff verständlich und überzeugend beizubringen. Dieses Manko macht sich dann sehr häufig in den Ergebnissen der Klausuren bemerkbar.
Das Verhältnis Lehrer - Schüler war nicht immer das Beste. Sicherlich ist es nicht immer einfach, einem Achtzehnjährigen ins Gewissen zu reden. Doch dieses Übel gehört nun mal zum Beruf des Lehrers.

Auf eines möchte ich noch besonders zu sprechen kommen.
Leider Gottes hat sich an unserer Schule eine wahnsinnige "Kopierwut" breitgemacht. Manchmal stellt man sich wirklich die Frage, ob sämtliche Kopien notwendig seien. Zuhause stapeln sich die Blätter an, das Regal kann die Lasten kaum mehr tragen. Ob es wohl der Sinn der Sache ist, für eine Klausur 150 DIN-A-4-Seiten zu lernen? Früher schrieb man einfach mehr im Unterricht mit und man tat sich damals erheblich leichter mit dem Lernen. Soviel sei zu den negativen Seiten dieser Schule gesagt!

Natürlich darf man das Positive nicht vergessen. Etliche Lehrkräfte gaben sich wirklich Mühe, den Schülern den Lehrstoff nicht unbedingt einzupauken, jedoch mit einem gewissen Engangement beizubringen. Diesen Lehrern gilt unser Dank. Sie waren stets offen für Fragen und man konnte sich jederzeit an sie wenden. Viele Geräte wie Overhead-Projektoren, Filmvorführgeräte und Bücherquetschen halfen so manchem Lehrer, dessen Schrift kein Mensch lesen konnte, über den Berg. Doch neue Geräte sind ja da, um benützt zu werden.

Zwar sagte ich vorhin, dass ich keinen Namen nennen wolle. Ich glaube jedoch, dass zwei Lehrer unseren ganz besonderen Dank verdienen. Wessen Namen ich zuerst nenne, soll keine Rolle spielen.
Unseren "Otto", man erlaub mir diese Abkürzung, traf man eigentlich nie an. Warum?
Er war als Kollegstufenbetreuer stets "auf Achse" und kümmerte sich wirklich um alles. Er war für viele von uns eine unentbehrliche Kontaktperson, die uns über so manches, nicht über alles aufklärte und wirklich eine Hilfe war. Zwar fiel aufgrund seines großen Aufgabengebietes des öfteren der Unterricht aus, aber wen störte das schon?

Dann gibt es da noch einen zweiten Kollegstufenbetreuer. Jeder kennt ihn, unserern "Katalogmenschen". Wäre er als Modell einer Konfektionsunternehmens beschäftigt, der Umsatz dieses Unternehmens würde sich schlagartig verdoppeln. Immer stets korrekt gekleidet mit weißem Hemd hatte unser Oberstudienrat und Verkehrswachtler Gerstberger ebenfalls zu jeder Zeit alle Hände voll zu tun, seine Schäflein oder auch Böcke, zu besänftigen. Die Ruhe verließ ihn nie. Irgendwie hatte ich den Einddruck, wenn ich mich mit ihm unterhielt, dass er einen nie ganz ernst nahm. Aber das ist wohl seine Art.

Ich möchte mich hiermit noch einmal im Namen aller Kollegiaten bei unseren beiden soeben genannten Kollegstufenbetreuern auf herzlichste bedanken. All diejenigen, die ich jetzt nicht erwähnt habe und es trotzdem verdient hätten, bitte ich um Nachsicht. "Nobody is perfect"!

Zum Schluß noch ein paar Worte.
Unsere Schule ist bestimmt keine Eliteschule. Die Tatsache jedoch, dass sämtliche Abitur-Anwärter das Reifezeugnis erhalten, zeigt doch, dass von den 13 vergangenen Schuljahren, bei mir wares es 15, doch etwas hängen geblieben ist. Wenn ich ehrlich bin, so bedauere ich es doch, dass ich nicht mehr länger die Skrupellosigkeit und Unbarmherzigkeit der Lehrer dieses Gymnasiums ertragen darf.


Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamtkeit.

Christof Fischer